Eine Beschreibung des Landkreises als Beschreibung der Wände.

Ein lexikon für das Kreishaus Hameln-Bad Pyrmont.

Im Februar 2004 wurde ich eingeladen eine künsterische Arbeit zu machen für das Landkreishaus Hameln-Bad Pyrmont. Einzige Vorgabe war: Untergrund der Arbeit sind die Sichtbetonwände, in der Eingangshalle and auf den Fluren zu den verschiedenen Kämme. Verbesserung der Optik war angesagt.

Ich bin ein fremder im Landkreis und wollte mich fündig machen. Um ein gutes Bild vom Kreis zu bekommen, habe ich eine Vielzahl von Quellen erforscht. In Stadtbüchereien, Archiven und im Internet stiess ich auf eine Menge historisches, geografisches, wissenschaftliches und literarisches Material. Beschreibungen, Chroniken, Sagen, Märchen, Architektur, Fakten und Gesetze, aus der Vergangenheit und von Heute.
Ich fand Spezifisches der Städte und Dörfer als auch vom Landkreis als Ganzes. Der Landkreis wurde der größte gemeinsame Teiler, worin die besonderen Kennzeichen der Gemeinde, Flecken und Städte aufgenommen waren. Auf der Landkarte augenscheinlich unbedeutende Flecken und Dörfer, spielten in der Vergangenheit zum Beispiel eine wichtige Rolle. Ich betrachtete sie alle gleichwertig.

Mir wurde klar das ich mit diese gesammelte Informationen arbeiten wollte. Der Botschaft nachdem ich suchte lag nicht in eine Behandlung der Wände mit Farbe, lag auch nicht im verputzen davon, lag aber in der Vermittlung von dieser Information, die so typisch für dieses Landkreis ist, und wovon ich wusste das ein Grossteil der Bevölkerung sie schon längst vergessen hat oder nie bekommen hat.
Ich fing an das Material zu ordnen und die Texte nach ihrer Bedeutung einzustufen. So entstand nach einer Weile unbewusst ein kleines Lexikon. Ein kleines, persönliches und bewußt unvollendetes Lexikon, über den Landkreis. Auf meiner Spurensuche in der Geschichte des Landkreises fokussierte sich meine Beobachtung ständig neu. Mal befand sich mein Blickwinkel im Makro- mal im Mikrobereich. Mein Blick fuhr vom Süntelbaum bis zum Ith, von Kohlensäure bis in die Kurorte, von Quadern und Giebeln in Schlössern bis zum Anspitzer im Büro. Alle diese kleinen und grossen Elemente bilden gemeinsam den Landkreis. Manche der gefundene Texte sind rein informativ, sie zeigen Fakten und Daten, manche dagegen sind literarisch und erzeugen schöne Bilder.

Das Konzept der Arbeit war also klar. Ich stelle ein persönliches Lexikon zusammen für die Arbeiter und Besucher des Gebäudes und lade sie ein das Gebäude zu durchqueren auf einen Spaziergang durch mein begehbares Lexikon. Das Lexikon wird zum Puzzle und das Gebäude lädt zum Zusammenlegen ein. Ein begehbares Lexikon als Beschreibung des Landkreises als Beschreibung der Wände.

Die grosse Sichtbetonwände wurden deswegen die Fläche der Inhaltsaufgabe des Lexikons. Alle ausgewählte gesammelte Begriffe des Lexikons sind auf diese Wände angebracht. Der monumentale und fast monolitische Charakter wird auch durch die Gestaltung betont. Die Namen sind flächendeckend über die Wände verteilt, wobei die Gliederung der Schalungstafeln die Größe der Typografie vorgibt. Drei Graufarben sorgen für ein abwechslungsreiches Bild und erzeugen Tiefenwirkung. Es entsteht der Eindruck eines All Overs, einer Tapete oder eines Rasters.
Der grosse Wand in der Eingangshalle ist mit den Namen aller Städte, Dörfer, Gemeinden und Ortsteile des Landkreises beschriftet. Ich habe die 8 Städte und Gemeinden nach dem Zufallsprinzip geordnet, die jeweils zugehörigen Ortsteile werden alphabetisch geordnet. Viele Namen des Kreises hörten sich für mich zuerst fremd aber sehr schön an. Der Reihe nach gelesen erzeugen sie fast ein poetisches Klangbild: Amelgatzen, Bessinghausen, Börry, Brockensen, Emmern, Esperde, Frenke... ein schöner Rythmus. Ein Geschenk.
Auf den kleineren Wände habe ich ein Auswahl aus der Inhaltsaufgabe genommen und ausführlich beschrieben.

Die Typografische Gestaltung ist der Arbeit von Gerald Christ. Professor für Corporate Design in Dessau.

Die Texte sind mit Schablonen und Farbe direkt auf der Wand angebracht. Die Wände werden hierdurch Träger und Untergrund der Arbeit.

William Engelen, Berlin 2006.