Falten für Perkussion

Eingespielt von Talujon, New York:
Ian Antonio, David Cossin, Tom Kolor, Michael Lipsey

Falten für Perkussion ist eine Komposition bestehend aus 15 Partituren auf 13 Notenständern und eine Einspielung durch das Percussionensemble Talujon, zu hören über eine Stereoanlage. Vier Partituren sind für Quartett, 11 für Solisten. Das Instrumentarium besteht unter anderem aus: Waschbretter, Singende Säge, Steine, Ölkanister, Triangel, Snare drum und Talking drum.

Die Partituren sind folgendermassen entstanden: auf einem Blatt Papier wird eine Zeitachse angebracht, dann wird dieses Blatt gefaltet. Auf die Stellen des Papiers, die nach dem Falten noch sichtbar sind, werden oberhalb der Zeitachse Notenlinien gezeichnet. Die Notenlinien markieren die Abschnitte, in denen Klang zu hören sein wird, die Stellen, die in der Falte liegen, lassen sich als Pause lesen. So entsteht als erstes eine Organisation von Zeitangaben, in denen die Musiker spielen bzw. pausieren. Die 15 Partituren sind alle verschieden gefaltet, besitzen alle eine unterschiedliche Räumlichkeit, Form, Komplexität, Rhythmik. Diese visuellen Unterschiede bilden weitere Parameter für die Interpretation.

In dem schönen Raum der Sammlung Hoffmann, kommt von zwei sich gegenüberliegende Seiten, durch grosse Fenster, Tageslicht hinein. Das ist in den meisten Ausstellungsräumen eher selten der Fall. Es sind üblicherweise die Warteräume oder Entrees und Durchgangsräume die von mehrere Seiten Tageslicht bekommen, temporäre Aufenthaltsräume. Der Raum in der Sammlung hat auch ein bisschen der Charakter eines Verbindungsraumes.
In diesem Raum stelle ich also meine Partituren auf. Präzise, jedoch, irgendwie, wohin ich sie auch stelle, sie stehen immer ein wenig im Wege, und das ganze sieht so aus, als ob die Notenständer vorübergehend hingestellt worden sind, sich im Warteraum befinden, bis sie abgeholt werden, oder die Musiker mit Ihre Instrumente kommen. Die Besucher der Sammlung, ich habe sie bei mehrere Gelegenheiten beobachtet, bewegen sich mit Vorsicht, gehen bedachtsam zwischen den Partituren durch, denn die Papierarbeiten sind fragil, die Notenständer mit den dünnen Beine könnten vielleicht schon bei einer leichte Berührung umfallen.

Die Sonne wandert von einer Seite zum anderen. An den Tagen wo der Himmel nicht grau ist, und das Sonnenlicht den Raum beleuchtet, ändert sich die Temperatur, Farbe und Atmosphäre im Raum. Das wechselhafte Tageslicht sorgt für ein wechselndes Schattenspiel auf den Partituren. War das Licht hart und kalt, wurden die Schattenbereiche der Faltungen graphisch und dunkler, war das Licht eher gedämpft, und warm, so wurden die Schattenbereiche weicher, verstärkte es der Schwebezustand und Fragilität der Partituren. Bei starkem Sonnenlicht wurde das Papier an bestimmte Stellen halb durchsichtig. Diese unvorhersehbare wechselnde temporäre Einflüsse brachten neue Nuancen in der Arbeit hinein und spielten stimmig mit der Musik.

Die Musik, zu hören über Lautsprecher, ist ebenfalls "zeitgebunden". Sie ist eine Einspielung der Partitur, aufgenommen in einem Audio Studio. Die Komposition ist nicht determiniert, sie wird bei jede neue Aufführung immer ein wenig anders aufgeführt werden, ist also lebendige Musik. Trotzdem folgt sie eine Partitur die zum Teil fixiert und strukturiert ist. Die Musik ist eine Momentaufnahme, sowohl für den Musikern als auch für den Zuhörern, befindet sich immer in einer Übergangszone.

In der erste Annäherung der Komposition, schauen sich die Musiker die gefaltete Partituren, vermutlich genau so an, wie jeder andere Betrachter. Sie bekommen allerdings dann von mir die "Aufgabe", sich vorzustellen, sie sind nur einen cm gross und "durchschreiten" die Partitur, die Skulptur, das architektonische Model, die Zeitachse folgend. Sie betreten in Ihre Vorstellung immer neue Räume, immer im Durchgang, denn sie halten nie an. Wie klingen diese unterschiedliche Räumlichkeiten, wie kann man sie interpretieren mit dem Instrumentarium das ich festgelegt habe? Die Musiker des Ensembles sahen die Partituren im Drawing Center New York. Ein Ort wo kein Tageslicht die Räume beleuchtet, wo die Partituren immer gleich aussehen. Wie würde sich die Aufführung anhören wenn die Musiker in der Sammlung spielen würden, zum Beispiel an einem sonnigen Tag, den ganzen Tag lang, die optische Änderung der Partitur in ihre Interpretation miteinbeziehen würden?

Einiger Zeit vor Aufbau der Arbeit bot Frau Hoffmann mir die Möglichkeit an, wenn ich wolle, die Wände könnten eine Farbe meiner Wahl bekommen. Bislang hatte ich wenig Farbe in den Räume meiner Klanginstallationen benützt. Klänge tragen genug Farbe, da muss ich keine extra im Raum anbringen. Ich lehnte Ihr Angebot dennoch nicht sofort ab, soll ich wirklich immer so streng sein? Vielleicht wäre es ja Möglich, den Raum ein abstraktes Element zuzufügen, womit ich den Charakter des Raumes betone und die Komposition erweitere, wodurch sich der Schwebezustand der Partituren erhöht. Ein Experiment, ohne grosse Folgen wenn es nicht klappt. Der Wand ist schnell wieder Weiss gestrichen. Nach Aussortierung der Farbrichtungen blieb Grün übrig. An einem schönen sonnigen Tag in Juni sassen Frau Hoffmann und ich mit einem Pantone Fächer im Raum und entschieden uns für die Zusammenstellung des Farbtons.

Falten für Perkussion ist eine Komposition die bei jede neue Aufstellung und Aufführung anders sein wird, eine strukturierte Improvisation.